Niemandsland

Gastspiel im Südtiroler Kulturinstitut Bozen
Inhalt
Azra ist mit ihrer kleinen Tochter Leyla im Krieg aus Bosnien nach Österreich geflohen. Heute ist Leyla eine politisch engagierte Studentin, die in Palästina arbeiten will – zum Entsetzen ihrer Mutter, denn dort herrscht Krieg und schon das Reden über Krieg ist in Asras Haus tabu.
Osama und Jasmin sind ein israelisch-palästinensisches Paar, auf der Suche nach dem Ort, der sie als gleichberechtigte Bürger aufnimmt. Osama darf Palästina nicht verlassen. Jasmin emigriert nach Österreich und versucht, für ihn Asyl zu erlangen.
Ein renommierter Kriegsreporter steht kurz vor dem Burnout, ein Anwalt wird durch sein Engagement für syrische Blogger zum Medienstar, ein junger Deutsch-Serbe setzt sich mit seiner Vätergeneration auseinander und ein Universitätsprofessor mit Forschungsschwerpunkt Nachkriegs-Gesellschaft fällt aus dem Hörsaal ins wirkliche Leben. Alle diese Schicksale sind miteinander verknüpft, in dem Stück von Yael Ronen (Hakoah Wien und Community in dieser Saison), zu dem die wahre Geschichte von Jasmin und Osama den Anstoß gab.

Yael Ronen zählt zu den außergewöhnlichen TheaterkünstlerInnen ihrer Generation. International bekannt wurde sie durch Theaterabende, in denen sie Klischees und Vorurteile auf Kollisionskurs bringt. Gemeinsam mit ihren Ensembles erforscht sie in einem Prozess kollektiven Schreibens und Improvisierens die Spannungen zwischen unterschiedlichen Nationalitäten: „Dem Perfektionismus der Deutschen stehen zum Beispiel die Grobheit und der Humor der Israelis gegenüber. Ich suche immer Gruppen, die sich gegenseitig herausfordern. Daraus ergibt sich eine fruchtbare Arbeit.“
Pressestimmen
„Wie eindrücklich und bewegend hier von Kriegstraumata und von Menschen in Österreich, Palästina, Israel und Ex-Jugoslawien zwischen Familie, Beruf und Krieg erzählt wird, zeigt, was Theater im besten Fall auslösen kann. Eine seltene Sternstunde.“
(Barbara Behrendt, Die deutsche Bühne, Autorenumfrage 2014)

„Yael Ronens großartige Grazer Stückentwicklung als letzter Höhepunkt des Heidelberger Stückemarkts. […] Um Fragen der Autorschaft hat der Stückemarkt gekreist, darum, wie Texte, wie Aufführungen entstehen. Und nun, ganz zum Schluss, setzt er noch einmal nonchalant ein Wunder obendrauf, einen Abend, über den man eigentlich nur staunen kann. Weil es sich kaum glauben lässt, dass ihm keine literarische Vorlage zugrunde liegt, dass es sich tatsächlich um eine Projektentwicklung handelt, um einen dieser Yael-Ronen-Schätze, die sie gemeinsam mit ihren Darstellern hebt. […]Es geht um so vieles hier, aber kein Thema ist Yael Ronen zu groß, allem wird sie gerecht, während sie glasklar und mit großer erzählerischer Gelassenheit vorführt, wie es ist, wenn entfernte Konflikte einem unvermittelt nahe kommen. […]Da ist kein falsches Pathos nötig, keine Sprachverkünstelung, keinerlei Mätzchen, nichts Billiges, nichts Wohlfeiles, nie. Bloß Wahrheit, Würde, Humor und Ernsthaftigkeit, menschlicher Anstand und inhaltliche Komplexität. Wer an den Möglichkeiten des Theaters gezweifelt hat, wer ihm schon nicht mehr viel zugetraut hat in der Betrachtung und Verarbeitung unserer Welt, der muss hier tief und demütig den Hut ziehen.“
(André Mumot, www.nachtkritik.de, 4. Mai 2014)

„Wie schön, dass man auch so heute noch Theater spielen kann! So unbelastet von angesagten Theorien zu Form und Ästhetik […] so zutiefst berührend und nachhaltig in seiner Wirkung. […] Mit ‚Niemandsland‘, ihrer jüngsten Produktion für das Schauspielhaus Graz, setzte sie [Yael Ronen] dem diesjährigen Stückemart kurz vor der Preisverleihung das letzte Glanzlicht auf. […] Schauspielerisch beeindruckte am meisten die Verkörperung der Azra durch Birgit Stöger: Eine Überlebende des Krieges, die ihr sterbenselendes Inneres hinter einer Schutzhülle von Wortkargheit und stoischem Gleichmut verbirgt.“
(Monika Frank, Rhein-Neckar-Zeitung, 6. Mai 2014)

„Für die Leistung, ohne Larmoyanz für berührende Momente gesorgt zu haben, brandet hernach zu Recht großer Applaus auf.“
(rcl, Mannheimer Morgen, 6. Mai 2014)

„Yael Ronens Niemandsland im Grazer Schauspielhaus: grenzüberschreitendes Theater in ganz großen Dimensionen. [...] Bravourös ist die Leistung des gesamten Ensembles, die intensive Verkörperung von Ausgemusterten ohne Wert, zur Vollendung gebracht durch Birgit Stöger, der Finsternis in Bosnien entkommen, aber innerlich ausgelöscht. Der bestialische Hund des Verdrängens, Vergessens, er will Pfötchen geben und bekommt, frei von anklagenden Attitüden, seine Lektion. Man soll, muss ihr beiwohnen. Der große Beifall, hier findet er durch eine tiefe Verbeugung seine Fortsetzung.“
(Werner Krause, Kleine Zeitung, 7. Oktober 2013)

„Man erlebt zwei Stunden Stress, mit gebrochenen Charakteren, erfundenen Schicksalen. Jan Thümer beeindruckt als Kriegsreporter. Er drückt das Elend dieser Welt aus, das eben durch die Flüchtlingskatastrophe vor der Insel Lampedusa aufschrecken ließ. [...] Geschickt werden die Geschichten verwoben. Viel Applaus für einen intensiven Abend.“
(Norbert Mayer, Die Presse, 7. Oktober 2013)

„Mit Niemandsland schuf die israelische Regisseurin Yael Ronen nach Hakoah Wien wieder ein Gesamtkunstwerk, wie man es selten sieht. Mit Geist, Gefühl und Witz gegen Krieg und Klischees. [...] Wer dachte, Ronens gescheites und witziges Stück Hakoah Wien, mit dem sie im Vorjahr in Graz mit ihrem Bruder Michael die Geschichte ihres Großvaters, eines Wiener Juden, der rechtzeitig vor dem Ausbruch des Nazi-Terrors nach Palästina ging, und jene der eigenen Generation erzählte, war ein Glücksfall, irrte. Niemandsland ist ein genauso treffsicheres Werk über die komplette Sinnlosigkeit von Krieg und Nationalitäten und die Kraft von Lieben und Leben, die sich mitten im Wahnsinn ihre Existenz erkämpfen. Wieder verknüpft Ronen dabei scheinbar mit Leichtigkeit mehrere Schicksale. Nicht auf dem Reißbrett, sondern auf Proben, bei denen auch Schauspieler Ideen und Geschichten einbrachten - nicht nur ihre eigenen, wie im Fall von Osama Zatar und seiner israelischen Ehefrau Jasmin Avissar. Beide stehen mit ihrer eigenen Geschichte, die eine der jahrelangen Suche nach einer Heimat für ihre Liebe ist, auf der Bühne.“
(Colette Schmidt, Der Standard, 7. Oktober 2013)

„Flüchtlinge, Kriegstraumatisierte und Profiteure sind die handelnden Personen in der jüngsten Produktion Yael Ronens für das Grazer Schauspielhaus. Dass Niemandsland dennoch ein mitreißender Abend mit großem Unterhaltungsfaktor ist, verdankt er dem klugen Humor der Theatermacherin – und den Schauspielern. [...] Yael Ronen führt nicht nur Regie, sie hat mit Maryam Zaree auch den Text verfasst. Im Bühnenbild von Fatima Sonntag, das sich jeder Situation anpasst, lotst sich ihre Figuren in kurzen Szenen durch die komplexe Geschichte. Mit Emphathie und klugem Humor lässt sie die Grenze zwischen Lachen und Weinen sehr schmal werden. Manche Situation ist komisch, täuscht aber nicht über die Tragik hinweg. Und der leichte Ton entschärft die Kritik kein bisschen. Ronen gelingt nach „Hakoah Wien“ erneut ein tief berührender Abend. Großen Anteil daran haben die sechs hervorragenden Schauspieler – allen voran Birgit Stöger als herbe Azra. Und jene Beiden, auf deren realer Geschichte der Abend basiert, begeistern ebenfalls auf der Bühne: Osama Zatar und Jasmin Avissar, die auch die eindrucksvollen Choreographien verantwortet. Ein Pflichttermin!
(Michaela Reichart, Steirerkrone, 7. Oktober 2013)

„Mit ihrem zynischen, listigen Seitenhieb in Richtung eines von Konventionen geprägten politischen Theaters grenzt sich die israelische Autorin und Regisseurin Yael Ronen von stadttheatertauglichen Bestürzungsorgien ab. [...] Doch bei ihr verströmt der aus Traumatisierten, Kriegsgewinnlern, Betroffenen und Nachgeborenen gebildete Reigen Leichtigkeit, Sentiment und Ironie. [...] Yael Ronen baut wie schon im grandiosen Stück Hakoah Wien immer wieder doppelte Böden ein, ist auf keinem Auge blind, hantiert mit einfühlsamem Sprachwitz und serviert insgesamt sehr bekömmliche messerscharfe Analysen. Von dieser Künstlerin ist noch einiges zu erwarten. Niemandsland berichtet von der realen Lovestory des palästinensisch-israelischen Paares Osama Zatar und Jasmin Avissar. Dass jene, die in ihrer Heimat nicht zusammenleben dürfen und nach Österreich emigriert sind, sich selbst spielen, lässt so manche im Publikum Tränen der Rührung verdrücken. Hineinverwoben hat Ronen zudem die Geschichte von Azra (hinreißend gespielt von Birgit Stöger), einer in Graz gelandeten Kammerjägerin mit dunkler Kriegsopferhistorie.“
(Martin Behr, Salzburger Nachrichten, 8. Oktober 2013)

„Auf der engen Bühne hat Fatima Sonntag ein Gerüst hochgezogen, in das provisorisch Fenster, Türen und Einrichtungsgegenstände integriert sind. Wie selbstverständlich finden die Darsteller hier zu ihren Geschichten. Birgit Stöger etwa verwandelt sich virtuos in eine kriegstraumatisierte Kammerjägerin, Seyneb Saleh überzeugt als deren Tochter, Jan Thümer ist ein ausgebrannter Journalist und Julius Feldmeier ein Anwalt, dem Moral und Eitelkeit durcheinanderkommen. [...] Es geht um Leid, Schuld, Trauma und das Erbe der Nachgeborenen. Es geht aber auch um die Perversion medialer Inszenierung, letztlich um die Unmöglichkeit, für das, was Krieg bedeutet, Worte oder Bilder zu finden. Das ist auch der Widerspruch und zugleich die Qualität dieser sonst so leichtfüßigen Erzählung: Sie stellt sich selbst infrage. Wieder ein wichtiges Stück!“
(Hermann Götz, Der Falter, 9. Oktober 2013)

„Tollkühn konstruiert Yael Ronen eine Geschichte, deren Protagonisten völlig unterschiedliche Biographien haben, aber doch miteinander fatal verknüpft sind. Diese Figuren irrlichtern zwischen Graz (das Stück ist ein Auftragswerk fürs Schauspielhaus), Palästina und Syrien. Beruflich oder privat sind sie mit dem Thema Krieg, Migration befasst. [... ] Blitzschnell wechseln die Szenen auf einem mehrfachgeschoßigen Holzgerüst (Bühne: Fatima Sonntag), das jeden lokalen Bezug vermeidet: Wir sind eben zwischen den Kriegsgebieten, wer seine jeweilige Heimat verlässt, ist eben ein Niemand im Niemandsland.“
(Reinhard Kriechbaum, www.drehpunktkultur.at, 13. Oktober 2013)

„Die israelische Theatermacherin Yael Ronen, die im Vorjahr mit der Produktion Hakoah Wien erfolgreich ihre eigene Familiengeschichte auf die Bühne gebracht hatte, zeigt im Grazer Schauspielhaus auch in ihrem neuen Stück, wie spannend politisches Theater sein kann. [...] Mit einem israelisch-palästinensischen Paar, der Choreografin und Tänzerin Jasmin und dem Künstler Osama, das in seinem Heimatland nicht friedlich zusammenleben kann und deshalb emigrieren will, hat Ronen auch diesmal wieder eine wahre Geschichte eingebaut. Osama Zatar und Jasmin Avissar spielen sich selbst – und fügen sich hervorragend in das Ensemble ein.“
(www.volksgruppen.orf.at, 7. Oktober 2013)

 
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