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„Heldenplatz“-Regisseur Franz-Xaver Mayr spricht über den Skandal zur Uraufführung 1988, warum das Stück heute noch relevant ist und was das Besondere an Thomas Bernhards Sprache ist.
Thomas Bernhards „Heldenplatz“ sorgte bei seiner Uraufführung für einen Skandal – Österreich hatte sich bis dorthin kaum mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit beschäftigt. Hat sich da deiner Meinung nach etwas geändert? Wie relevant oder gar aktuell ist das Stück heute?
Also zunächst muss man sagen, die Formulierung „Österreich hat sich kaum mit seiner Nationalsozialistischen Vergangenheit beschäftigt“ reicht wirklich nicht nur ansatzweise dafür aus, um sich dem zu nähern, was sich Österreich nach 1945 bis heute, was sich Menschen in Österreich, was sich die Politik in Österreich erlaubt haben, was öffentlich und halböffentlich geäußert wurde. Dass es tatsächlich möglich war, dass eine Person wie Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt wurde, ist dabei nur die ekelhafte Spitze. Man kann all die Äußerungen in ihrer Menge nicht zitieren, gar nicht so viele Vorkommnisse beschreiben, um die Peinlichkeit und Grausamkeit zu skizzieren, welche in dieser Zeit von erwachsenen Menschen (!), von menschlichen, denkenden Wesen in Österreich an den Tag gelegt wurden. Und man sollte es auch nicht in ein paar Zeilen tun oder versuchen. Man kann nur – und muss einfach – an jene Menschen verweisen, die durch ihre jahrelange Arbeit einen Einblick in diese Zeit ermöglichen, wie Ruth Beckermann, Maximilian Gottschlich oder Doron Rabinovici. Das, was in deren Arbeit zu sehen und zu lesen ist, hat nichts damit zu tun, ob man sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandergesetzt hat oder nicht. Uns muss es heute darum gehen, dass wir wissen müssen, nicht vergessen dürfen und nicht dementieren können, dass Österreich, Menschen in Österreich, versucht haben, sich locker mit Floskeln, wie Waldheim sie gerne verwendet hat – Österreich hat es auch nicht leicht gehabt – aus der Verantwortung zu ziehen, und alle die dagegen gesprochen, geschrieben, gehandelt haben, wurden laut, aggressiv, mit kruden Argumenten als Nestbeschmutzer diffamiert.
Ob sich da heute etwas geändert hat? Natürlich nicht! Der einzige Grund, warum keine NSDAP-Mitglieder und keine Kriegsverbrecher mehr als Partei-Funktionäre herumlaufen, ist, weil sie mittlerweile alle tot sind. Das ist das Einzige, was sich verändert hat. Vielleicht ist der Hass anders aufgeteilt auf verschiedene unterschiedliche Gruppen, der Antisemitismus versteckter, aber die Wut, die Aggression, die Bereitschaft jemanden zu hassen und auszugrenzen, die unerträgliche Sprache der Politik, das ist nach wie vor das Grauen, und es ist kein Ende in Sicht.
„Jetzt erst Recht“ stand vor 33 Jahren auf Waldheims ÖVP-Plakaten und vor wenigen Monaten noch auf Straches FPÖ-Plakaten. Diese Poesie spricht doch wirklich für sich selbst.
Und der Skandal, damals 1988, nun, es haben sich eben alle aufhetzen lassen von der Kronen Zeitung und dem Profil und so weiter. So etwas funktioniert ja heute auch noch ganz gut. Das ist alles. Es ging ja dabei nie wirklich um die Theaterarbeit. Irgendwelche Personen haben einfach irgendetwas gesagt – ohne das Stück zu kennen – das war der Skandal! Der Bernhard der warme Bruder oder Peymann die Sau oder Österreich darf sich das nicht gefallen lassen wurde gesagt, und um die Steuern, die für so eine Österreichbesudelung verschwendet werden, ging es natürlich auch immer wieder. Nichts Neues – die Klassiker eben! Was heute daran interessant ist, ist, dass Bernhard damals inhaltlich genau von so einem Österreich und so einer Gesellschaft geschrieben hat, wie es sich dann herausgestellt hat, dass es ist. Das ist ja das Tolle am Text, und es beweist, wie Recht Bernhard in „Heldenplatz“ mit jedem einzelnen Wort hatte.
Thomas Bernhard wurde schon vor der Uraufführung von „Heldenplatz“ vorgeworfen, er überschreite die Grenzen des Zumutbaren. Wie siehst du das – gibt es Dinge, die Theater nicht machen oder sagen darf?
Nein! Theater muss seine Arbeit machen und das, was es dazu braucht, sagen und machen dürfen, und dann kann man sagen, es war gut oder nicht, und eine andere Person wird es genau anders sehen, und dann kann man diskutieren. Das ist ja das Erhellende.
In der Konzeptionsprobe hast du die Bernhard‘sche Sprache als eine der wichtigsten Ebenen deiner Inszenierung bezeichnet. Was macht diese Faszination aus?
Dass ich Bernhards Sprache als zentrales Element denke, liegt nicht so sehr an einer Faszination (obwohl mich das Sprechen, das Atmen und das Bilden von Lauten als zentrale Modi meiner Arbeit immer beschäftigen). Bei Bernhard kann ich aber nicht in erster Linie von meiner Faszination sprechen. Bernhards Sprache ist eine eigene Größe, die man nicht umgehen kann, und das hat vor allem mit Bernhards eigenem Interesse am Sprechen zu tun. Seine Stücke wirken wie Monologe, sind aber eigentlich Dialoge, die wie Monologe wirken. Das Sprechen ist immer ein Unendliches, seine Zeilen immer ein Rhythmus, seine Stücke immer das Sprechen selbst. Der Zustand der Figuren immer ein sprechender. Man kann über Bernhards Dramensprache gar nicht außerhalb vom Rhythmus des Sprechens nachdenken. Aber Sprechen ist ja immer Rhythmus, kann man sagen – ja schon, Bernhard legt aber auf die Musikalität der Sprache und des Sprechens einen anderen, einen existentiellen Wert. Der Rhythmus und das Sprechen bedeuten Leben. Solange ich spreche, lebe ich. Solange ich kann, spreche ich in die Welt. Das tat Bernhard, das tun seine Figuren und das tut Bernhard durch seine Figuren heute noch. Weiters stützt Bernhard durch Rhythmus den Sinn des Gesprochenen, konstituiert Sinn auf eine bestimmte Weise, trifft sinnenhafte Entscheidungen durch Komposition und macht so aus dem Sinn etwas, das zeitgleich intellektuell und sinnlich greifbar ist. Man kann eigentlich gar nicht sagen, man hätte ein besonderes Interesse an Bernhards Sprache – ob Interesse oder nicht – man kommt nicht an ihr vorbei, Bernhards Werk ist Sprache.
Vielen Dank für das Gespräch, Franz-Xaver Mayr!
„Heldenplatz“ von Thomas Bernhard, Regie: Franz-Xaver Mayr, Premiere am 10. Jänner, 19.30 Uhr, HAUS EINS