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Epos in zwölf Gesängen
von Johann Wolfgang von Goethe
Ausgewählte Inszenierung beim nachtkritik Theatertreffen 2021
Mit 26 Jahren kam Goethe an den Weimarer Hof, arbeitete sich binnen kurzem zum Geheimen Legationsrat und Minister hinauf, wurde geadelt und war mit 33 Jahren der wichtigste Mann nach dem Herzog. Eine gewisse Kenntnis dessen, wie man Karriere macht und welche Eigenschaften man als Politiker braucht, wird er also besessen haben, als er 1793 seinen „Reineke Fuchs“ schrieb.
Dieser ist der Inbegriff des sprichwörtlich schlauen Fuchses: Zu Beginn steht er am Hofe des Löwen-Königs Nobel als Angeklagter vor Gericht. Trotz wiederholter Vorladungen und Verurteilungen schafft er es immer wieder, seinen Hals buchstäblich aus der Schlinge zu ziehen – und am Ende zum Berater des Königs berufen zu werden.
Dass diese „unheilige Weltbibel“ trotzdem keine moralinsaure Abrechnung mit den Abgründen und Ungerechtigkeiten des politischen Parketts wurde, sondern ein höchst unterhaltsames und vergnügliches Werk, liegt vor allem an der literarischen Form: der Tierfabel.
REGIE Mina Salehpour
BÜHNE Andrea Wagner
KOSTÜME Maria Anderski
MUSIK Sandro Tajouri
LICHT Viktor Fellegi
DRAMATURGIE Karla Mäder
NOBEL Oliver Chomik
NOBLESSE Beatrix Doderer
ISEGRIMM Thomas Frank
GIEREMUND Henriette Blumenau
BRAUN Mathias Lodd
HINTZE Rudi Widerhofer
GRIMBART Beatrice Frey
LAMPE / MERKENAU Raphael Muff
HENNING / BELLYN Franz Solar
REINEKE Alexej Lochmann
ERMELYN Lisa Birke Balzer
ANGEBOTE SCHAUSPIELHAUS AKTIV
Altersempfehlung: 16+
Mitreden
Theaterdialog 21.10.2020
Mitlernen
Vorbereitender Workshop (bei oranger Ampel online)
Nachbereitung
Textimpulse
Inhaltliches Warm-up
Leseprobe
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Mitte April 2020 dämmert uns im Schauspielhaus, dass wir ein neues Stück suchen müssen. Wir werden eine kürzere Probenzeit haben, vielleicht weniger oder schlimmstenfalls gar keine Werkstattkapazitäten. Aber wo anfangen mit der Suche? Welche Stoffe, welche Geschichten wird das Publikum im Herbst sehen wollen?
„Ich habe das Theater nicht gewählt, weil es Antworten gibt, sondern weil es ein Ort war, der anders war als alle Orte, die ich bis dahin gekannt habe: ein Ort der Wunder, mit eigenen Regeln. Und das vermisse ich gerade täglich. Ich habe Lust Geschichten zu hören und zu erzählen. Und ich habe Lust auf Lebenslust: saftiges, einladendes Erzählen und Menschen, die vereint einer Geschichte lauschen, fern von der Realität der Tageszeitungsheadlines“, schreibt die Regisseurin Mina Salehpour.
Eigentlich wollten wir mit ihr zum Spielzeitauftakt ein besonderes Projekt realisieren: netflixartiges Binge Watching im Theater mit einer sechsteiligen Theaterserie über Stadtentwicklung. Vielleicht holen wir das in einer anderen Spielzeit nach – die politische Dimension des Konzepts einer Smart City wird auch in Graz sicher noch länger Thema sein.
Mina Salehpour liebt Romanbearbeitungen und so wurden im April und Mai zahlreiche dicke und dünne Bücher gewälzt, vor allem auf der Suche nach Schelmen und Narren vom Schlage eines Till Eulenspiegel oder Don Quixote. Sind das vielleicht Vorbilder, die uns lehren können, wie man heiter und optimistisch bleibt und durchkommt in schwierigen Zeiten? Schließlich landeten wir bei Goethes „Reineke Fuchs“, auch so ein unverwüstlicher Überlebenskünstler, allerdings einer mit Fell.
„Lies mal den letzten Satz!“, schreibt Mina Salehpour. „Durch Goethes Sprache, aber auch dadurch, dass uns die Tiere so viele Darstellungsmöglichkeiten bieten, gibt es ein enormes Potenzial für Witz. Das ist eine schöne Einladung ans Publikum – und auch an die Spieler*innen: Tiere, die Versmaß sprechen, hallo?! Fabeln sind zeitlos, denn die Tiere sind immer Archetypen und repräsentieren Charakterzüge, die ewig sind“, meint Mina Salehpour.
Allen voran Reineke, der schlaue Fuchs; durchaus ein widersprüchlicher Charakter: einerseits redegewandt, mutig, intelligent, treusorgend für seine vielköpfige Familie; andererseits ein Lügner, Dieb, Vergewaltiger und Mörder. Auch in diesem tierischen Protagonisten zeigt sich die Dualität von Gut und Böse, die Goethe sein Leben lang beschäftigt hat.
„Gut gegen Böse – das ist immer spannend“, findet die Regisseurin und meint zum Schluss: „‚Reineke Fuchs‘ ist ein Thema unserer Zeit! Etwas langlebiger als Corona.“
„Der ganz in schwarz-weiß getauchte Abend ist ausgesprochen vergnüglich, er führt anhand der goetheschen Parabel höfischen Intrigenspiels vor Augen, wie einfach müde Systeme von gerissenen Einzelgängern manipuliert werden können. […] All das taucht [Mina] Salehpour, ideal unterstützt von Viktor Fellegi (Licht) und Sandro Tajouri (Musik) in effektvolle, einprägsame Bilder. Ensemble-Neuzugang Alexej Lochmann spielt den Reineke als gewieften Kriminellen […]. Eingebettet in ein animiertes Ensemble halten etwa Mathias Lodd als schwerfälliger Bär, Beatrice Frey als gutgläubiger Dachs, Raphael Muff als naiver Hase beschwingt dagegen.“ (Kleine Zeitung Nachtkritik, Ute Baumhackl, 02.10.2020)
„Regisseurin Mina Salehpour legt die Mechanismen maßloser Machtspiele in aller Brutalität und Komik offen […] Parallel dazu fungieren die überaus einprägsamen Bilder und Klänge dieser unterhaltsamen, bündigen Inszenierung als emanzipierte Erzählebenen. […] Dabei bleibt den Schauspielern aber reichlich Raum zur Entwicklung von Figuren, deren tierische Natur sie nur elegant andeuten […].“ (Kleine Zeitung, Ute Baumhackl, 04.10.2020)
„[Mina] Salehpour schafft es erstaunlich geschickt, nie den belehrenden Zeigefinger zu bedienen. Ein lockerer Erzählton und ein paar Brüche an den richtigen Stellen halten diesen gesellschaftlichen Spiegel im spielerischen Bereich, ohne seine Kraft zu brechen. Dazu hinterlässt das toll aufspielende Ensemble Eindruck. Neben Lochmann glänzen Mathias Lodd als vorgeführter Bär und Thomas Frank und Henriette Blumenau als hintergangene Wölfe. Oliver Chomik ist hinreißend als nicht gerade heller und somit leicht zu beeindruckender Herrscher. Auch Franz Solar, Raphael Muff sowie Beatrice Frey, Beatrix Doderer und Lisa Birke Balzer gefallen in ihrer Hilflosigkeit dem Schlechten gegenüber gut.“ (Kronen Zeitung, Michaela Reichart, 04.10.2020)
„Dabei war nichts aufgesetzt oder überinterpretiert, streng und klar wie die Ausstattung geriet die Regie von Mina Salehpour, das Ensemble sorgte für punktgenaue Umsetzung. […] Die schnörkellose Inszenierung arbeitete mit starken Bildern und einem nicht minder starken Ensemble. In der Titelrolle zog Alexej Lochmann alle Register, schmeichelnd, bittend, drohend und grausam setzt er seinen Willen durch. […] Ein düsteres Sittenbild der Macht, wie es aktueller nicht sein könnte.“ (APA, Karin Zehetleitner, 03.10.2020)
„Der 44jährige Goethe hatte Intimkenntnis, wie man sich nach oben arbeitet und wie man sich oben hält. Das ist zeitlos, und die Regisseurin Mina Salehpour arbeitet die Aktualität zielstrebig heraus. Der schlaue Fuchs, der sich nun wahrhaft schweinisch aufführt, doch mit sagenhafter Eloquenz stets seinen Kopf aus der Schlinge zieht und alle anderen alt aussehen lässt, dieser Fuchs kommt uns in der logischerweise radikal verdichteten Bühnenversion als der Ur-Typ des Populisten daher. […] So fluffig, spielerisch, charmant diese Aufführung daherkommt: Die Regisseurin sorgt auch zielstrebig dafür, dass einem die Grausbirnen aufsteigen.“ (drehpunktkultur.at, Reinhard Kriechbaum, 08.10.2020)
„Es ist ein Zeitbild mit unglaublicher Sogkraft, das Regisseurin Mina Salehpour mit Goethes ‚Reineke Fuchs‘ im Grazer Schauspielhaus auf die Bühne bringt […] Mina Salehpour gelingt ein unheimlich zeitnaher Abend; goethe’sche Sprachgewalt verweisen auf die Vergangenheit während Kostüme (Maria Anderski) und Bühne (Andrea Wagner) im schnörkellosen Schwarz-Weiß auf das moderne Heute abzielen. Am Ende ist es aber das spielwütige Ensemble, das einem den kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Vor allem Alexej Lochmann, der als grausig-grindiger Fuchs im Pelzmantel zur Höchstform aufläuft. Spätestens als ihm Meister Lampe (Raphael Muff) zum Opfer fällt, ist nämlich klar: Alexej Lochmann – diesen Schauspieler sollte man sich merken. Klares Urteil: Ein Abend, der nachhallt.“ (kultrefgraz.wordpress.com, Katrin Fischer, 09.10.2020)
Der jüdische Mathematik-Professor Josef Schuster stürzt sich fünfzig Jahre nach seiner Flucht vor den Nazis aus Österreich von seiner Wohnung auf den Heldenplatz – jenen Platz, auf dem Adolf Hitler nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 von Hunderttausenden bejubelt wurde. Das Stück von Thomas Bernhard löste bei seiner Uraufführung 1988 einen Theaterskandal aus; heute ist es wert, von einer neuen Generation entdeckt zu werden.
Eine Landvermesserin steigt in Wien in einen „Postzug“ und reist so lange durch Europa, bis sie keinen festen Boden mehr unter den Füßen hat, sondern sich auf einem Containerschiff auf hoher See befindet. Und weit und breit kein Land mehr in Sicht ist, geschweige denn das Kronland … Thomas Köck, einer der gefragtesten Autoren Österreichs, versucht in diesem Teil seiner „Kronlandsaga“ die Habsburgermonarchie als Vorgängermodell des vereinigten Europas zu denken.