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Gotthold Ephraim Lessing
Dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen
„Nathan der Weise“, das ist die Ring-Parabel. Diese macht aber nur einen winzigen Teil des Klassikers aus, der ein großes Gedankendrama ist, ein orientalisches Märchen und eine klassische Soap-Opera: Nathan ist ein reicher jüdischer Kaufmann, der von einer Geschäftsreise zurückkehrt und feststellt, dass seine geliebte Tochter beinahe bei einem Feuer ums Leben gekommen wäre, wenn nicht ein christlicher Ritter sie gerettet hätte. Zwischen dem (vermeintlich) jüdischen Mädchen und dem jungen Christen keimt eine problematische Liebe auf, die noch problematischer wird, als sich herausstellt, dass beide Geschwister sind. Damit verschlungen ist ein zweiter Handlungsstrang, der den weisen Nathan an den Hof des nicht minder klugen Sultans führt, der Geldsorgen hat und die Freundschaft und Hilfe Nathans erbittet und erhält.
„Nathan der Weise“ spielt in der von allen drei großen monotheistischen Religionen als heilig verehrten Stadt Jerusalem. Das Stück plädiert für eine „von Vorurteilen freie Liebe“, in der Christentum, Judentum und Islam gleichwertig sind, und entwirft die humanistische Vision einer grundsätzlichen Verwandtschaft aller Menschen. 1778 / 79 litt Lessing unter einem Publikationsverbot für Religiöses. Eingebracht hatte dieses dem Pfarrerssohn und studierten Theologen eine Kontroverse zwischen Aufklärung und orthodoxer lutherischer Theologie, ausgetragen mit einem christlichen Fanatiker, dem Hamburger Hauptpastor Goeze. In einer schlaflosen Nacht fand der Dramatiker bei dem Renaissancedichter Giovanni Boccaccio im „Decamerone“ die Vorlage des „Nathan“ und fragte sich, ob man ihn „auf seiner alten Kanzel, dem Theater, wenigstens noch ungestört will predigen lassen“.
Im „Nathan“ schafft er vor dem historischen Hintergrund der Kreuzzüge des Mittelalters, als christliche Ritter gewaltsam den Orient zu erobern und zu christianisieren versuchten, ein breit ausgemaltes Panorama, das für Toleranz und Brüderlichkeit plädiert. Als großer Aufklärer vertrat Lessing die Position, dass der Glaube Privatsache sei. Eine Position, die heute wieder infrage steht, wo Religion zunehmend politisch missbraucht wird und unhinterfragte Zuschreibungen Klischees und Vorurteile produzieren. Die junge britische Regisseurin Lily Sykes, die in der Spielzeit 2016 .2017 Shakespeares „Romeo und Julia“ inszenierte, widmet sich in dieser Saison einem nicht minder bekannten, diesmal deutschen Klassiker.
REGIE Lily Sykes
BÜHNE Jelena Nagorni
KOSTÜME Ines Koehler
MUSIK David Schwarz, Maren Kessler
LICHT Thomas Trummer
DRAMATURGIE Jan Stephan Schmieding
THEATERPÄDAGOGIK Julia Gratzer
NATHAN Werner Strenger
RECHA Maximiliane Haß
DAJA Mercy Dorcas Otieno
SALADIN Nico Link
SITTAH Sarah Sophie Meyer
TEMPELHERR Clemens Maria Riegler KLOSTERBRUDER/DERWISCH Pascal Goffin
PATRIARCH Oliver Chomik
JUNGE RECHA Sophia Attems / Emilie Haidacher
CHOR
„Sie [Lily Sykes] konzentriert sich auf die Beziehungen der Figuren untereinander – das öffnet spannende Perspektiven. […] Im weißen Säulenmeer (die Bühne mit viel Interpretationsfreiraum stammt von Jelena Nagorni) lässt sich ebenso gut Abfangen spielen wie später Bedrohung inszenieren: Dann, wenn die Spannungen zwischen dem intellektuellen Sultan (dem Nico Link auch sehr menschliche Züge abgewinnen kann), dem weisen Juden Nathan, der zwischendurch Shakespeare zitiert (und bei Werner Strenger in besten Händen ist) und dem jungen ungestümen Tempelritter (Clemens Maria Riegler schenkt ihm durchaus berührende Momente) zunehmen. Im Zentrum des Dramas steht nach wie vor die Ringparabel, in der Nathan dem Sultan gegenüber die Gleichwertigkeit der drei Weltreligionen herausstreicht. Dass diese gleichzeitig von Recha (Maximiliane Haß spielt sie als kluges, emotional überquellendes Mädchen) dem Templer erzählt wird, ist ein schöner Einfall der jungen britischen Regisseurin. Überzeugend ist auch die Rolle der Daja. […] Für Mercy Dorcas Otieno ein mehr als gelungener Einstand als neues Ensemblemitglied. Die ganz ausgezeichnete Leistung der Schauspieler wird durch Sarah Sophia Meyer als selbstbewusste Sittah, Pascal Goffin als überforderter Finanz-Derwisch wie auch als Klosterbruder, der mehr seinem Herzen als seinem Glauben folgt, und Oliver Chomik als aalglatter, kompromissloser Patriarch ergänzt. […] Ein zeitloser und schöner Theaterabend.“ (Michaela Reichart, Kronen Zeitung, 22. Oktober 2017)
„Unter einem dichten Wald aus strengen weißen Säulen entfalten sich da in eindrücklichen Tableaux die emotionalen Geflechte, die im Jerusalem der Kreuzritterzeit Juden, Christen, Muslime verbinden, zeigt Werner Strenger den weisen Nathan als hingebungsvolle Vaterfigur, Maximiliane Haß seine Tochter Recha als emotionales Energiebündel und Mercy Dorcas Otieno deren Gesellschafterin Daja als Zerrissene zwischen den Welten. Formt Clemens Maria Riegler aus einem engstirnigen Ritter einen über Glaubensgrenzen leidenschaftlich hinweg Liebenden und Nico Link einen ziemlich intellektuellen Sultan. Überhaupt wartet die zweite große Schauspielhaus-Premiere der Saison mit einer exzellenten Ensembleleistung auf.“ (Ute Baumhackl, www.kleinezeitung.at , 20. Oktober 2017)
„Werner Strenger, Schauspielprofessor an der Grazer Kunstuni, gibt den rührend fürsorglichen Vater und abgeklärten Denker Nathan, Maximiliane Haß eine stürmisch liebende, impulsive Recha. Clemens Maria Riegler spielt den Tempelherrn als jungenhaft Zerrissenen. Nico Link ist als intellektueller Sultan zu sehen, Oliver Chomik gibt den Patriarchen als kalten Bürokraten. In stark heruntergedimmten Rollen als Daja und Sittah leisten Mercy Dorcas Otieno und Sarah Sophie Meyer achtliches, Vielseitigkeit beweist einmal mehr Pascal Goffin als Klosterbruder und Derwisch.“ (Ute Baumhackl, Kleine Zeitung, 22. Oktober 2017)
„Unmittelbar und sehr menschlich hebt dieser Nathan so an, bevor er in die originalen ‚kömmet‘ und sperrigeren Blankverse wechselt, die dem großartigen Strenger besonders natürlich über die Lippen kommen. Lily Sikes inszeniert auf der minimalistischen Bühne mit kühler Größe. Das wirkt zuweilen wie vergangene Moderneästhetik, wie bildgewaltig statische Oper. Die Formen sind klar, die Kostüme schlicht königsblau, rot, weiß und schwarz. Die Säulen kann man beklettern, um von dort oben im Palast des Sultans etwa ein lebendiges Schachspiel zu dirigieren, sie tragen Leuchtstoffröhren oder sind an einer Ecke angeschwärzt, um zu zeigen, wo Nathans Haus gebrannt hat. Der sparsam eingesetzte Sound reicht vom Liturgischen bis zur E-Gitarre. Nathans Geldgabe wird als Goldkonfetti über dem bankrotten Sultan ausgeschüttet. Daneben wirken vor allem Scheinwerferlicht – als Kegel oder Nebel – und Bühnenschwärze. Diese imposanten optischen Gegenspieler mögen auch metaphorisch dienstbar sein. Aber sie werden nie zu groß. Emotion steht hier nicht hinter dem Toleranzimpetus zurück.“ (Michael Wurmitzer, Der Standard, 23. Oktober 2017)