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Thomas Bernhard
Mit einem Prolog und ein paar Fußnoten von Franz-Xaver Mayr
In einer großbürgerlichen Wohnung im Zentrum Wiens versammeln sich die Angehörigen und Freunde des Mathematik-Professors Josef Schuster aus Anlass seines Begräbnisses. Schuster war mit seiner Frau 1938 als Jude nach Oxford geflohen, jedoch in den fünfziger Jahren auf Bitten des Wiener Bürgermeisters auf seinen Lehrstuhl zurückgekehrt. Eine fatale Entscheidung, die die ganze Familie belastete. Dreißig Jahre nach seiner Rückkehr springt er aus dem Fenster seiner Wohnung auf den Heldenplatz. Jenen Platz, auf dem Adolf Hitler am 15. März 1938 unter dem Jubel von Hunderttausenden den Anschluss an Nazi-Deutschland verkündete. Der Professor wählt den Freitod, weil er darunter leidet, dass die Situation in Österreich „noch viel schlimmer als vor fünfzig Jahren“ sei.
Das Stück entstand 1988 anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Burgtheaters und des „Bedenkjahres“ 50 Jahre nach der Eingliederung des Bundesstaates Österreich in das nationalsozialistische Deutsche Reich. Es sorgte für den größten Skandal der österreichischen Theatergeschichte, denn bereits im Vorfeld der Uraufführung kam es, befeuert von zahlreichen Zeitungen und Politiker*innen, zum Vorwurf, Bernhard überschreite die Grenzen des Zumutbaren. Die Uraufführung fand unter Polizeischutz statt und dauerte statt zweieinhalb fünf Stunden. Das Stück sorgte Ende der 80er-Jahre mit dafür, dass sich das Land mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit zu beschäftigen begann. Und heute, achtzig Jahre nach dem Anschluss? Der einstige Nestbeschmutzer ist in den Rang eines zeitgenössischen Klassikers erhoben und rechtes Denken wieder gefährlich populär geworden.
Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz“ wurde weltweit gespielt: von Portugal bis Schweden, von den USA bis Argentinien. Erstmals wird es nun auch in Graz gezeigt, an dem im Stück auf die typische Bernhard’sche Art kein gutes Haar gelassen wird. Es inszeniert der junge Österreicher Franz-Xaver Mayr, der sich gerade mit formstarken, auf die Musikalität der Sprache vertrauenden Inszenierungen im deutschsprachigen Raum einen Namen macht und von dem im Schauspielhaus bereits „Am Boden“ von George Brant und „Menschen mit Problemen, Teile I bis III“ von Sibylle Berg zu sehen waren.
REGIE Franz-Xaver Mayr
BÜHNE Korbinian Schmidt
KOSTÜME Michela Flück
MUSIK Matija Schellander
VIDEO Billy Roisz
LICHTDESIGN Michael Beyermann
DRAMATURGIE Karla Mäder
FRAU ZITTEL, WIRTSCHAFTERIN DES VERSTORBENEN Florian Köhler
HERTA, EIN HAUSMÄDCHEN Raphael Muff
PROF. ROBERT SCHUSTER, BRUDER DES VERSTORBENEN Henriette Blumenau
ANNA, TOCHTER DES VERSTORBENEN Evamaria Salcher
OLGA, TOCHTER DES VERSTORBENEN Oliver Chomik
PROF. LIEBIG, KOLLEGE DES VERSTORBENEN Franz Solar
PROF. LANDAUER, KOLLEGE DES VERSTORBENEN Sarah Sophia Meyer
LUKAS, SOHN DES VERSTORBENEN Fredrik Jan Hofmann
HEDWIG, GENANNT FRAU PROFESSOR, EHEFRAU DES VERSTORBENEN Alexej Lochmann
SÄNGERIN Johanna Baader
CHOR Marisa Becksteiner, Margit Gugerbauer, Gernot Harter, Brigitte Hinteregger, Agnes Hobiger, Lukas Hoscher, Bernd Hubich, Chiara Juriatti, Doris Klammer, Sina König, Lejla Kurtic, Hermann Leiner, Clara Obrecht, Barbara Pfleger, Gabriele Roller, Selina Rudlof, Antonia Veitschegger
SCHAUSPIELHAUS AKTIV
Altersempfehlung: ab 15
„Florian Köhler, hergerichtet als betuliche, an Elisabeth II. erinnernde Gouvernante, versteht meisterhaft, mit Bernhards Sprachmelodie umzugehen.“ (Kurier, Thomas Trenkler, 13.01.2020)
„Mayrs Inszenierung akzentuiert einiges neu […]. Die geschlechterkonträre Besetzung ist der entschiedenste Schritt dieser Inszenierung, und sie hat durchaus Wirkung. Sie bricht das festgeschriebene Dominanzverhältnis der Reden (Geschlecht, Alter) auf und ermöglicht es, beispielsweise mit Julia Franz Richter als Prof. Robert, die Anliegen einer jungen Frau und eines alten Mannes zusammenzudenken. Zudem trägt Franz-Xaver Mayr mit weißer Bühne [Korbinian Schmidt] und schrägen Kostümen (Michela Flück) dem Kunstcharakter des Stücks Rechnung und schafft geradezu Nähe zu den bösen Kunstmärchen E. T. A. Hoffmanns.“ (Der Standard / derstandard.at, Margarete Affenzeller, 13.01.2020)
„Franz-Xaver Mayr stülpt dem Text keine vorschnelle, vor allem keine geradlinig-glättende Interpretation über. Er zieht das Publikum hinein in Bernhards hinterhältige Satz-Ellipsen. […] Unterschiedliche Traumatisierungen mit innerfamiliären Wechselwirkungen werden in dieser Inszenierung unterschwellig, aber aufmerksam herausgeschält. […] Ein gestalterischer und sprechtechnischer Höhepunkt gleich zu Beginn ist die Suada der Frau Zittel. […] Respekt, Sympathie, Leidenschaft gar – ein Panoptikum unterschiedlicher Gefühle setzt Florian Köhler mit beeindruckender Sprechtechnik und sorgsam moderater Gestik um. […] Einige Rollen sind geschlechtsverwandelt in dieser Aufführung, aber nicht aus gerade modischem Genderbewusstsein heraus. Diese Akzentverschiebungen helfen, Konturen, auch Schrullen der Handelnden zu verstärken.“ (nachtkritik.de / drehpunktkultur.de, Reinhard Kriechbaum, 10.01.2020)
„[Florian Köhler] erfüllt die erste Szene des Kammerspiels auch mit dem nötigen Elan. […] Köhler beherrscht Bernhards Phrasierungen perfekt. Raphael Muff als Hausmädchen im karierten Arbeitskleid und mit weißem Schürzchen assistiert ihm schräg. Die Pointen sitzen. […] Später verleiht auch Evamaria Salcher Schusters Tochter Anna ordentlich Schärfe. Im Finale, mit der extrem präsenten und präzisen Julia Gräfner als Witwe Hedwig, packt einen das Schauspiel noch einmal richtig. […] Stimmig sind die Bühnenbilder Korbinian Schmidts: Reduktion. […] Stimmig sind die Monologe Zittels, wenn sie über Österreich und speziell über Graz herzieht.“ (Die Presse am Sonntag / diepresse.com, Norbert Mayer, 11./12.01.2020)
„Franz-Xaver Mayr bringt das Stück in seiner Grazer Inszenierung mit Fußnoten auf die Bühne des Schauspielhauses. […] Neu auf der Besetzungsliste [ist auch] ein 18-köpfiger Sprechchor, der die rhythmischen Qualitäten der Bernhardschen Suada ziemlich eindrucksvoll zur Geltung bringt. […] Der tendenziell groteske Charakter der Aufführung wird durch die Besetzung noch verstärkt: […] die Haushälterin Zittel, Protagonistin des ersten Akts, übernimmt Florian Köhler, der daraus eine virtuose Drag-Nummer macht. […] Der Grazer ‚Heldenplatz‘ ist eine intelligent konzipierte Inszenierung.“ (Theater heute, Wolfgang Kralicek, März 2020)
„Florian Köhler hat als Zittel den bernhardschen Sprachduktus verinnerlicht […]. Der aus Hallein stammende Regisseur [Franz-Xaver Mayr] legt den Fokus nicht auf wohlbekannte Schimpftiraden, sondern auf subkutane Vorgänge. […] Das reduzierte Bühnenbild (Korbinian Schmidt) in Schwarz-Weiß lässt das Wort noch besser zur Geltung kommen. […]“ (Salzburger Nachrichten, Martin Behr, 13.01.2020)
„Der Sog, er wirkt. Noch immer. Schon nach ein paar Minuten treibt man mit im Flow der Worte, in den Wirbeln und Katarakten dieser Zornrede namens ‚Heldenplatz‘, mitgerissen vom Furor und der Sprachkunst Thomas Bernhards. Hingerissen aber auch von der Sprechkunst des Schauspielers Florian Köhler […]. Köhler ist großartig in dieser Rolle, er spielt sie ohne auch nur einen Hauch von Drag-Chichi, und dazu gelingt ihm der frappierende Effekt, in den langen Monologpassagen, in denen Frau Zittel ihren toten Arbeitgeber zitiert, ebendiesen immer wieder aus dem eigenen Gesicht herausschauen zu lassen. Ein großer, unheimlicher Auftritt, und dazu ein überzeugendes Argument, diesen ‚Heldenplatz‘ über die Geschlechtergrenzen hinweg zu besetzen. […] Mayr [findet] aber einen Weg, das Stück von solchen Bedeutsamkeitskrusten zu befreien. Er stellt in minimaler Kulisse (Korbinian Schmidt) und in hoch melodiösen Szenen, die vom Ensemble (Raphael Muff, Evamaria Salcher, Oliver Chomik, Franz Solar, Fredrik Jan Hofmann, Julia Gräfner) bravourös getragen werden, die Künstlichkeit und Komik der bernhardschen Tiraden aus und gibt dem Publikum mit Sarah Sophia Meyer eine verschmitzte Erklärbärin zur Seite, die mit volksbildnerischem Vorzeigegestus historischen Kontext schafft und großzügig Sekundärliteratur empfiehlt.“ (kleinezeitung.at / Kleine Zeitung, Ute Baumhackl, 11./12.01.2020)
„Verletzungen, enttäuschte Erwartungen, nicht gelebte Hoffnungen, all das arbeitet [Franz-Xaver Mayr] in Korbinian Schmidts schwarz-weißer Bühne fein heraus. […] Florian Köhler als Haushälterin Frau Zittel [liefert] in perfekter Maske (Kostüme: Michela Flück) nicht nur sprechtechnisch eine Glanzleistung ab. […] Kurz und souverän der Auftritt von Julia Gräfner als Witwe.“ (Kronen Zeitung / krone.at, Michaela Reichart, 12.01.2020)