Die Physiker

Komödie in zwei Akten
Friedrich Dürrenmatt

nominiert für den Nestroy-Theaterpreis 2020 in der Kategorie „Beste Bundesländer-Aufführung“

Inhalt

Im Privatsanatorium „Les Cerisiers“ gibt sich Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd redlich Mühe mit ihren Insassen. Ihre drei Musterpatienten sind Einstein, der auf der Geige übt; Möbius, der mit König Salomo konferiert und Newton, der nicht ohne Allongeperücke unter die Leute geht. Die drei Möchtegern-Physiker leben in friedlicher Verrücktheit, bis ein schreckliches Unglück geschieht: Newton erdrosselt Schwester Dorothea mit einer Vorhangkordel. Und auf rätselhafte Weise ereignet sich Ähnliches kurz darauf noch einmal: Einstein erwürgt Schwester Irene mit dem Kabel einer Stehlampe. Ist Schwester Monika, die Möbius betreut, in Gefahr? Die Polizei ermittelt. Dabei ist die Entdeckung, die Möbius gemacht hat, eigentlich die weit größere Gefahr. Denn Möbius ist gar nicht psychisch krank, sondern versteckt sich nur in der Klinik, weil er eine bahnbrechende Formel gefunden hat, die auf einen Schlag die Welt vernichten könnte. Und hinter ihm und seiner Formel sind bereits die Geheimdienste rivalisierender Staaten her.

Der Kalte Krieg hatte die Welt zur Entstehungszeit des Stückes Anfang der 60er Jahre in eine hochbrisante Lage gebracht. Dürrenmatt reagierte auf diese Situation mit einer Groteske, die eigentlich ein Agententhriller ist, der auch aufgrund seiner Unterhaltsamkeit ein Welterfolg wurde – ein halbes Jahr übrigens, bevor der erste Bond-Film „Dr. No“ erschien.

Heute fasziniert vor allem die wissenschaftsphilosophische Dimension des Stückes: Die Metapher des „Irrenhauses“, in das sich ein verantwortungsbewusster Mensch der Wissenschaft freiwillig einsperren müsste, weil er nur dort die Freiheit hat zu denken, was er zu denken in der Lage ist. Denn sobald Profitinteressen anstehen, wird es immer jemanden geben, der das reine Wissen missbraucht und dass die Erde dabei drauf gehen könnte, ist den Profiteur*innen bekanntlich egal.

Es inszeniert Claudia Bossard, die u. a. vergangene Spielzeit mit Clemens J. Setz’ „Erinnya“ (eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt im Mai 2019) und der KUG-Abschlussproduktion „Romulus der Große“ von Dürrenmatt bewiesen hat, dass sie ein Händchen für zeitgenössisches und groteskes Theater hat.


THEATERPÄDAGOGIK: Julia Gratzer

Das sagt unsere Premierenklasse

Was unsere Premierenklasse von der Inszenierung hält, können Sie hier lesen.

Pressestimmen

„Dem Ensemble ist eine tolle Aufführung gelungen. […] Andri Schenardi entzückt […] als schräge Leiterin des Sanatoriums. […] Sarah Sophia Meyer […] gibt der Komik auch noch einen leichten Spin von Tragik. […] Bei ihr stellt sich zudem der flüchtige Eindruck ein, dass dieser Wahnsinn Methode hat. Das ist schön anzusehen. […] Die Befürchtung aber, ‚Die Physiker‘ seien inzwischen etwas in die Jahre gekommen, trifft auf Graz nicht zu. Dort wurde diese schwarze Schweizer Komödie kunstvoll wiederbelebt.“ (Die Presse am Sonntag / diepresse.com, Norbert Mayer, 20.10.2019)

„Das alles hat […] Witz und Raffinesse. Was der Regisseurin bei ihrem Debüt auf der Hauptbühne aber in besonderem Maße glückt, ist die Schauspielerführung. […] Als Krankenschwester (und zweimaliges Mordopfer) hat der junge Frieder Langenberger einen glänzenden Einstand ins Ensemble […] [Sarah Sophia Meyer] ist, ab einem hinreißenden Auftritt zwischen Breakdance, Veitstanz, Nervenzusammenbruch, sowieso eine Klasse für sich. Detto Andri Schenardi als Anstaltsleiterin Mathilde von Zahnd […].“ (Kleine Zeitung, Ute Baumhackl, 20.10.2019)

„In ihrer [Anm.: Claudia Bossards] großformatigen, ganz in Anstaltslindgrün getauchten Inszenierung dreht sie die Ethikkritik Friedrich Dürrenmatts (nicht alles Wissen ist gut: Atombombe) weiter und verlängert den Stoff des Stücks um eine Reflexion des Wissenskanons in die Gegenwart. Eine travestiehafte Besetzung von Fräuleins, Schwestern und Wissenschaftern lockert dabei die jeweiligen geschlechtsstereotypen Zuschreibungen gewinnbringend auf. Es ist eine helle Freude, in die Diskrepanzen zwischen der Figur und den darstellenden Schauspielerkörper hineinzuschauen. […] Am Ende macht ein kleiner bewaffneter Tarantino-Showdown den Kehraus. Näher ist Dürrenmatt James Bond nie gekommen. Fabelhaft.“ (Der Standard/derstandard.at, Margarete Affenzeller, 31.10.2019)

„[…] Eines macht diese Produktion wieder deutlich: Das Grazer Haus verfügt über ein großartiges Ensemble. Sarah Sophia Meyer als Möbius, Tamara Semzov als Einstein und Julia Franz Richter als Newton pendeln mit Verve zwischen Wahnsinn und Methode. Oliver Chomik ist eine hinreißende Frau Rose, Matthias Ohner als Oberschwester ein Glücksfall und Andri Schenardi als Fräulein Doktor eine Offenbarung. Frieder Langenberger gibt einen berührenden und stimmstarken Einstand als Schwester Monika. Und auch Beatrix Doderer überzeugt bei ihrem Ensemble-Debüt. Sie und Susanne Konstanze Weber geben ein herrliches, an alten Fernseh-Krimis geschultes Ermittler-Duo ab. Unverzichtbar in dieser Version: die Musiker Alice Peterhans, Anna Tropper-Lener und Paul Öllinger, die wunderbare Mitspieler sind. Ganz so wie Bühne und Kostüme von Frank Holldack und Elisabeth Weiß. Allen gemeinsam gelingt es, ‚Die Physiker‘ vom Staub zu befreien, sie sehr heutig wirken zu lassen - und darüber hinaus jede Menge turbulente Unterhaltung zu bieten.“ (Kronen Zeitung Steiermark / krone.at, Michaela Reichart, 20.10.2019)

„Mit ihrer Inszenierung von ‚Die Physiker‘ im Grazer Schauspielhaus beweist Claudia Bossard erneut ihr großes Talent. […] Perfekt verkörpern die DarstellerInnen ihre Rollen und sorgen für einen großartig amüsanten Abend im Schauspielhaus. Hervorzuheben gilt es hier vor allem Andri Schenardi (Mathilde von Zahnd) und Tamara Semzov (Einstein), die einem das Gefühl vermitteln, sie wären für ihre Rollen geboren. […] Die Stärke des Stücks liegt zusätzlich in dem perfekten Zusammenspiel zwischen, Regie, Bühnenbild, Schauspiel und Musik. […] Große Empfehlung für einen lustigen, perfekt umgesetzten Abend, der kritisch auf berühmte Werke der Literatur blickt, ohne diesen ihre Wichtigkeit abzusprechen. Viel Applaus.“ (kultref.wordpress.com, Teresa Guggenberger, 20.10.2019)

„Das Ensemble spielt offenkundig mit viel Freude und erzeugt dabei eine positive Komödienstimmung, die rasch ins Publikum schwappt. […] Neben tempo- und gagreichen Szenen gelingt Bossard mit der Vorstellung des genialen Physikers Möbius auch ein emotionales Highlight. […] Eine außerordentliche Szene, die stark im Gedächtnis haften bleibt. […] Sind ‚Die Physiker‘ an und für sich schon ein Stück mit mehreren Ebenen, wird es in der Bossard-Version mit noch weiteren ausgestattet. Mit ihm erlebt man einen spritzig-witzigen Theaterabend, erhält aber auch ein ganzes Paket an zeitgeistigen Input, über den es sich lange nachzudenken lohnt. Zu Recht viel Applaus am Premierenabend […].“ (europoean-cultural-news.com, Michaela Preiner, 20.10.2019)

„Aber die Regisseurin ist ohnedies angetreten, um ordentlich an jenen Schrauben weiter zu drehen, die aus der Komödie eine Groteske, letztlich eine Farce machen. Es wird mit Popmusik-Zitaten ebenso ausgiebig hantiert wie mit solchen aus dem Filmgenre. […] Wer Lust auf Travestie hat, ist goldrichtig in dieser Aufführung. Sarah Sophia Meyer als Möbius, Tamara Semzov als Einstein und Julia Franz Richter als Newton: Solche Typen muss man erst mal bei der Hand haben, auch Andri Schenardi als Fräulein Doktor oder Frieder Langenberger als Schwester Monika.“ (drehpunktkultur.at, Reinhard Kriechbaum, 30.10.2019)

„Claudia Bossard ist mit ihrer Inszenierung von Dürrenmatts ‚Die Physiker‘ etwas Geniales gelungen. Durch die Crossgender-Besetzung der klischeehaften Rollen liegt der Fokus mehr auf dem schauspielerischen Aspekt. […] Andri Schenardi überzeugt in der Rolle der Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd, ebenso wie Matthias Ohner und Frieder Langenberg in den Rollen der beiden Schwestern Boll und Stettler. Die drei Physiker, Einstein, Newton und Möbius werden von Tamara Semzow, Julia Franz Richter und Sarah Sophia Meyer grandios verkörpert […].“ (dorfzeitung.com, Matthias Traintinger, 24.10.2019)

ORT & DAUER
HAUS EINS
Hofgasse 11, A - 8010 Graz
Dauer: ca. 2 Stunden 10 Minuten, keine Pause
PREMIERE
18. Oktober 2019, HAUS EINS
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HAUS EINS
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HAUS EINS

Der jüdische Mathematik-Professor Josef Schuster stürzt sich fünfzig Jahre nach seiner Flucht vor den Nazis aus Österreich von seiner Wohnung auf den Heldenplatz – jenen Platz, auf dem Adolf Hitler nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 von Hunderttausenden bejubelt wurde. Das Stück von Thomas Bernhard löste bei seiner Uraufführung 1988 einen Theaterskandal aus; heute ist es wert, von einer neuen Generation entdeckt zu werden.

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