/* * Template Name: Produktion Details */ ?>
nach Thomas Mann
In einer Bearbeitung von Alexander Eisenach
Ein zentrales Motiv des postfaktischen Zeitalters ist die Krankheit. Beschworen wird eine kranke Gesellschaft, bedroht vom Krebsgeschwür der Überfremdung, geschwächt von einer pathologischen Lügenpresse und gelähmt von einer zahnlosen, anämischen Bürokratie. Und während die Werte der nationalen Identität dahinsiechen, steuert das emanzipatorische Projekt Europa geradewegs in den Untergang.
In seinem 1924 geschriebenen Roman „Der Zauberberg“ zeichnet Thomas Mann das Bild eines Europas, das in dicke Decken gehüllt die Katastrophe des Ersten Weltkrieges erwartet. Im Sanatorium Berghof, abgeschieden in den Schweizer Alpen gelegen, scheint sich die Zeit in eine absolute Gegenwart aufzulösen. An jenem wagnerianisch-dionysisch pulsierenden Ort ringen der Humanist Settembrini und der Terrorist Naphta um Einfluss auf den dort gestrandeten, braven, jungen Hamburger Kaufmannssohn Hans Castorp. An diesem Parzival des deutschen Bürgertums soll sich stellvertretend entscheiden, ob sich Europa doch noch einmal am eigenen Schopf aus seinem eschatologischen Sumpf ziehen kann oder ob es den radikalen Ideologen verfällt.
Manns Roman wirkt wie ein Psychogramm des Europas unserer Gegenwart, in dem die gesellschaftliche Solidarität bröckelt und sich das Individuum zunehmend in sich selbst zurückzieht, um mit der Bearbeitung subjektiver Krankheitssymptome auf eine unübersichtliche und unverständliche Weltlage zu reagieren. Die radikale Selbstliebe tritt heute an die Stelle des Gesellschaftsvertrages, der narzisstisch gestörte Autokrat als Staatenlenker kommt wieder in Mode und soziale Probleme werden als individuelles Versagen deklariert. Während die Welt in Flammen steht, beschäftigt man sich mit gesundem Essen, Stressvermeidungsstrategien und Selbstverwirklichung. Und genau wie Hans Castorps Skeptizismus gegenüber dem Hokuspokus der Therapien ausgedachter Leiden schwindet und er langsam im Strudel der Irrationalität versinkt, so ergeben auch wir uns den Annehmlichkeiten einer postfaktischen Weltsicht und wechseln Smoothies trinkend in die nächste Yoga-Position.
Der Regisseur Alexander Eisenach, geboren 1984 in Ost-Berlin, brachte in der Spielzeit 2015.2016 mit den „Frequenzen“ nach dem Roman von Clemens J. Setz eine vielbeachtete Inszenierung auf die Bühne des Schauspielhauses und hat sich in der Zwischenzeit neben seiner Regietätigkeit auch einen Namen als Autor gemacht. Er erstellte, inspiriert von Thomas Manns Roman, eine eigene Fassung dieses Werks der Weltliteratur.
REGIE Alexander Eisenach
BÜHNE Daniel Wollenzin
KOSTÜME Claudio Irro
MUSIK Beni Brachtel
DRAMATURGIE Karla Mäder
VIDEO rocafilm
ERZÄHLER / "WIR" Vera Bommer
HANS CASTORP Raphael Muff
JOACHIM ZIEMßEN Clemens Maria Riegler
DR. BEHRENS Fredrik Jan Hofmann
DR. KROKOWSKI Evamaria Salcher
SETTEMBRINI Florian Köhler
NAPHTA Nico Link
CLAWDIA CHAUCHAT Sarah Sophia Meyer
MYNHEER PEPERKORN Franz Xaver Zach
„Ein Gipfelsieg, komisch, bizarr, reich an Dämonie und zeitnah zugleich: Die Bühnenversion von Thomas Manns ‚Der Zauberberg‘ im Schauspielhaus Graz ist ein diabolisches Prunkstück. […] Der deutsche Regisseur Alexander Eisenach (33), Spezialist für Roman-Adaptierungen, nahm sich des gewaltigen Textmassivs an. […] Eine Inszenierung, die hören, staunen und schaudern lässt. Stets zieht dabei das Schicksal unsichtbare Kurven über all den Geschehnissen; raffiniert schlingen sie sich ineinander über einer Menschenschar, die hartnäckig negieren will, dass sie keinerlei Halt mehr finden kann. Ermöglich wird all dies durch ein großartiges Ensemble; fast jeder Akteur, jede Akteurin schlüpft bravourös in mehrere Rollen, in selten erlebter Intensität. Dies gilt von Raphael Muff als Hans Castorp über Vera Bommer […] bis zu Florian Köhler als Freigeist Settembrini, der brilliert wie nie zuvor.“ (Kleine Zeitung, Werner Krause, 14. Jänner 2018)
„Mannstolle Zeiten im Grazer Schauspielhaus. […] Zu erleben ist ein, wie es am Ende heißt, ‚Weltfest des Todes‘, optisch auf der häufig rotierenden Drehbühne grandios durch eine Bilderflut unterstützt, zelebriert von einem großartigen Ensemble, das enorme Wandlungsfähigkeit beweist und die wohl schwierigste Aufgabe bravourös bewältigt – ein mächtiges, mit viel List und Hinterlist ausgestattetes Textmassiv ganz und gar eindrucksvoll zu erklimmen. Auch ein Gipfelsieg – jener der Schauspielkunst.“ (www.kleinezeitung.at, Nachtkritik, Werner Krause, 13. Jänner 2018)
„Und auch hier gelingt Eisenach ein faszinierender, unterhaltsamer Theaterabend – nicht zuletzt dank des großartigen Ensembles. […] Der junge deutsche Regisseur und sein Team bedienen so ziemlich alles, was die Maschinerie zu bieten hat: ein fantastisches Bühnenbild, das durch Einsatz der Drehbühne viele Szenerien, Blickwinkel und Stimmungen zaubert (Daniel Wollenzin); den gelungenen Einsatz von Filmsequenzen (rocafilm) und Musik (Beni Brachtel) sowie die stimmigen, zeitlosen Kostüme von Claudia Irro. […] Raphael Muff als Hans Castorp wird gekonnt immer phlegmatischer, Clemens Maria Riegler als sein Cousin immer kränker. Florian Köhlers Settembrini und Nico Links Naphta sind famose Gegenspieler. Fredrik Jan Hofmann überzeugt als hemdsärmeliger Klinikchef ebenso, wie Evamaria Salcher als Ärztin mit Hand zum Analytisch-Okkulten. […] Vera Bommers Erzählerin fungiert als Klammer, die das freie Spiel der Kräfte erdet. Ein praller, ein fordernder aber auch sehr unterhaltsamer und bereichernder Abend. Große Empfehlung!“ (Kronen Zeitung, Michaela Reichart, 14. Jänner 2018)
„In der Strichfassung von Alexander Eisenach, die im Grazer Schauspielhaus zur Uraufführung kam, bleibt sehr viel Thomas Mann übrig. ,Im Handumdrehen werden wir mit der Geschichte nicht fertig werden', das gilt für Theater und Buch. Und sage keiner, er wäre in den ersten fünf Minuten nicht gewarnt worden. Ein erwartungsgemäß langer, aber keineswegs endloser Abend. Eine Aufführung, in der das Nicht-Verjährtsein eines literarischen Textes ohne plumpe Anbiederung übermittelt wird. Eine Textfassung, die gerade so eingekocht ist, dass sie den jeweiligen Darstellern, den Typen und Physiognomien eine deutliche Ambivalenz aus spielerischem Duktus und lauernder Aggressivität ermöglicht. […] Alexander Eisenach entfacht mit Drehbühnen- und Lichteffekten Theaterzauber, baut im entscheidenden Moment aufs Charisma seines insgesamt hochambitionierten Ensembles.“ (www.nachtkritik.de, Reinhard Kriechbaum, 15. Jänner 2018)
„Ein Zauberberg ohne Liegestuhl-Elegie und atemberaubende Naturaussichten? Geht das? Ja, wunderbar noch dazu, wie die Bearbeitung der legendären Thomas-Mann-Romanvorlage durch den 33-jährigen Berliner Alexander Eisenach im Grazer Schauspielhaus unter Beweis stellt. Eisenach verzichtet auf das Erwartbare, destilliert aus dem Stoff Stimmungen, Haltungen, Erkenntnisse, auch Fragwürdigkeiten und vor allem Bilder, die das hochalpine Drama nicht abbilden, sondern interpretieren, teilweise auch analysieren: ein intensiver Abend der Reflexion über zwei Phänomene - das Leben und der Mensch. […] Nach dem Hustenkonzert der Akteure wirft Alexander Eisenach seine betörende Theatermaschine an. […] Eisenach schafft über monumentale Kamerabilder und eingespieltes historisches Material eine Mehrstimmigkeit, die erfreulicherweise vieles offenlässt: Assoziationsangebote, kein Belehrungszwang. ‚Der Zauberberg‘ in Graz wird zu einem intensiven und doch launigen Pandämonium. […] Ein Abend, der in Erinnerung bleibt.“ (Salzburger Nachrichten, Martin Behr, 15. Jänner 2018)
„Aus den um einen großen Salon ineinander verschachtelten Kuben (Zugabteil, Schlafzimmer et cetera) sendet eine Livekamera (Carmen Zimmermann) gegebenenfalls Close-up-Bilder auf einen portalgroßen Gazevorhang (Bühne: Daniel Wollenzin). Das schafft im großen Format Intimität und riesenhafte Augen. Die Inszenierung ist aber dort am stärksten, wo die Räume dieses seltsamen Hortes samt ihren Traumbildern selbst zu sprechen beginnen. Wenn etwa ein Pferdeskelett an die bevorstehenden ‚Stahlgewitter‘ gemahnt oder ein Kreuz seinen Schatten wirft.“ (Der Standard, Margarete Affenzeller, 15. Jänner 2018)
„In Eisenachs dreieinhalbstündiger Aufführung mit Pause wird Begehren geschmackvoll filmisch illustriert. Jeder hat in dieser Nummernrevue seinen großen Auftritt. Bei der Premiere am Freitag gab es Szenenapplaus für die Sprachfeuerwerke.“ (Die Presse, Barbara Petsch, 15. Jänner 2018)